Wir haben uns mit Tibor Jermendy, Mobilitätsexperte und Speaker über New Mobility und Shared Economy, getroffen. Seit vielen Jahren ist er in den Bereichen Stadt- und Raumplanung, sowie Mobilitätsplanung tätig und ist heute Head of On-Demand Mobility und Verantwortlicher für das Produkt „Postbus Shuttle“ bei der Österreichischen Postbus AG. Er erzählt uns, wie das Produkt entwickelt und erfolgreich umgesetzt wurde.

Wie würdest Du einem Fünfjährigen On-Demand-Mobilität beschreiben?

Mit On-Demand Mobilität musst du Mama und Papa nicht mehr zu fragen, ob sie dich irgendwo hinfahren, sondern du kannst ganz eigenständig und ganz einfach überall hinkommen, wo du hinmöchtest. Du kannst mit On-Demand-Mobilität mit einem Klick ganz einfach von A nach B kommen, ohne dich mit einem Fahrplan auseinandersetzen zu müssen.

Wie entstand vor einigen Jahren das Projekt zur Einrichtung von Postbus Shuttle, dem von Postbus betriebenen On-Demand-Verkehr?

Die Gesellschaft wird flexibler und möchte Mobilitätsbedürfnisse bestmöglich flexibel handhaben. Öffentlicher Verkehr wie wir ihn derzeit kennen ist gerade in dezentralen Gebieten nicht flexibel genug. Die Bevölkerung ist daher stark auf das Auto angewiesen – bis dato der flexibelste Mobilitätsservice. Wir wollten mit Postbus Shuttle genau in diesen Gebieten öffentlichen Verkehr anbieten, in denen es derzeit keinen gibt – und damit eine Alternative zum privaten PKW bieten. Das war der Startschuss für Postbus Shuttle.

Interview mit Tibor Jermendy

© Österreichische Postbus AG / Marek Kopp

Wie sollte deiner Meinung nach die On-Demand-Mobilität mit den festen Linien und Fahrplänen des ÖPNVs interagieren und verbunden werden?

Mit dem Postbus Shuttle ergänzen wir bestehende Linienverkehre und erweitern diese Linienverkehre in dezentrale Bereiche, in denen er so nicht rentabel umsetzbar ist. Ein ganz wichtiger Punkt ist es, dass der Linienverkehr in zentralen und örtlich verdichteten Bereichen stärker ausgebaut wird und dort wirklich das Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs darstellt. Während man in den dezentralen Bereichen das On-Demand Mobilitätsangebot mit diesem Linienverkehr kombiniert und durch Zu- und Abbringen diese dezentralen Bereiche miteinander vernetzt werden. Also, On-Demand-Verkehr und Linienverkehr gehören zusammen.

Kannst Du kurz erklären, wie es funktioniert, dass sich Beide ergänzen?

Verdichtete Gebiete, in denen viele Personen leben, erfordern einfach größere Fahrzeuge, wie ein Zug, zusätzlichen Pendlerverkehr oder ein großer Bus zu Stoßzeiten. Das heißt, um 7:00 Uhr in der Früh fährt ein Bus mit 50 Personen von A nach B. Diese Busse mit einem sehr hohen Besetzungsgrad mit einem Mikro-ÖV oder mit einem On-Demand Verkehr zu ersetzen, wäre absurd, weil man relativ viele kleine Fahrzeuge haben müsste, um diesen Bus zu ersetzen. Dieser Bus sollte also mit dieser Größe auch fahren dürfen und können. Die dezentralen Bereiche wären eher mit On-Demand Verkehren zu erschließen. Was wir jetzt bei Postbus Shuttle machen, ist, dass wir bei einer Fahrtanfragen zuerst prüfen, ob bestehender öffentliche Verkehr von A nach B fährt. Falls es ein bestehendes Angebot gibt, das für den jeweiligen Kunden oder die Kundin auch erreichbar ist, so wird dieser Verkehr auch beauskunftet. Falls nicht, springt das Postbus Shuttle in die Lücke. Das heißt, wir vernetzen ÖV mit Mikro-ÖV. Das ist der Hintergedanke davon.

Interview mit Tibor Jermendy

© Österreichische Postbus AG / Marek Kopp

Der Einsatz von Software zur Organisation von On-Demand-Mobilität hat eure alltägliche Arbeit sicherlich verändert. Was ist der größte Unterschied, den Ihr in eurem Tagesgeschäft beobachtet haben?

Das Produkt „Postbus Shuttle“ besteht aus einem operativen Betrieb, das inkludiert das gesamte Management sowie den ganzen Betriebsablauf vor Ort, Marketing sowie auch der Software im Hintergrund natürlich. Die Software ist essenziell bei On-Demand-Mobilität, da der Poolingfaktor ausschlaggebend für dessen Erfolg ist. Das heißt, je besser die Software poolt, desto näher rückt das On-Demand-Konzept an das des öffentlichen Verkehrs. Und auch die Schnittstelle zum bestehenden öffentlichen Verkehr ist ein wesentliches Kriterium, das diese Software ausmacht.

Postbus investiert stark in die Gewährleistung der Datenkonformität und -sicherheit mit ihren Softwareanbietern. Welche Best Practices können Sie für die On-Demand-Mobilität nennen?

Datenschutz ist ein sehr heikles und wichtiges Thema. Der Schutz unserer Kund:innendaten steht an oberster Stelle. Demnach prüfen wir – gerade im Bereich Software – in Zusammenarbeit mit unserer internen Datenschutzabteilung jeden Aspekt im Detail, ob sie der EU-Datenschutzgrundverordnung vollinhaltlich entspricht. Daten sind einfach ein empfindliches und wertvolles Gut, mit dem zu oft zu leichtfertig umgegangen wird.

Was ist eurer Meinung nach als nationaler Verkehrsbetreiber der wichtigste Aspekt bei der Zusammenarbeit mit einem Softwareanbieter?

Das Zusammenspiel von Software und operativem Betrieb, die Schaffung eines gesamtheitlichen Produkts. Das ist ein wesentlicher Punkt, denn der Markt fragt nach Gesamtlösungen. Kundinnen und Kunden wollen ein Gesamtpaket haben. Sie wollen weder ein alleinstehendes Produktmanagement vor Ort, noch wollen sie ein alleinstehendes Softwareprodukt. Sie wollen ein Produkt, das sie kaufen und mit dem sie arbeiten können. Und das ist, glaube ich, das Alleinstellungsmerkmal von Postbus Shuttle: es ist ein Zusammenspiel aus Software und Hardware – Software als Software, Hardware als Fahrzeug und ein drittes Produkt, also das Management vor Ort. Und dieses gesamtheitliche Denken ist essenziell für den Erfolg von On-Demand Services in Zukunft.

Interview mit Tibor Jermendy

© Österreichische Postbus AG / Marek Kopp

Du hast sehr viel praktische Erfahrung gesammelt - gibt es in all den Jahren eine besonders eindrucksvolle Geschichte, die dir gezeigt hat, dass Postbus Shuttle einen positiven Einfluss hat?

In einer unserer Planungsregionen wurde eine Siedlung errichtet, die auf junge Familien abzielte, die aus der Stadt kamen und sich ein Leben im Stadtumland wünschten. Natürlich mit dem Komfort des öffentlichen Verkehrs, wie sie es aus der Stadt kannten. Diese Familien besitzen oftmals kein Auto.

Demnach wurden diese bereits errichtete (und mit dem Auto gut erreichbare) Siedlungen nicht nachgefragt. Erst durch Postbus Shuttle wurde diese Region durch den öffentlichen Verkehr erschlossen und Personen konnten nun in dieser Region tatsächlich auf ihr zweites Auto verzichten und dort leben. Also es ist eine siedlungsstrukturelle Verbesserung und dementsprechend eine räumliche Verbesserung in der Region. Man kann Gebiete wieder bewohnbar machen, in denen man sonst eigentlich nur mit dem eigenen Auto hinkommen würde. Und das ist natürlich ein absoluter „Benefit“ für die Region.

Herzlichen Dank Tibor, für deine aufschlussreichen Antworten bezüglich der On-Demand-Verkehre in Österreich und des großen Erfolgs des Postbus Shuttle. Wir freuen uns darauf, mehr von euch und aus euren Regionen zu hören!

Cover Bild: © Marie Dücker Photography

Andere Bilder: © Österreichische Postbus AG / Marek Kopp